Recht in schwierigen Zeiten - Neue Themen für Rechtsanwälte
Corona, der Krieg in der Ukraine, Energiewende, der demografische Wandel, die Klimakrise, Fachkräftemangel, Digitalisierung - wie die Gesellschaft ist der Rechtsberatungsmarkt in einem extremen Wandel begriffen und wer sich nicht zeitnah auf die neuen Parameter einstellt, den wird das Rad der Geschichte hinauskatapultieren. Da wird es um Elektromobilität gehen, ebenso wie um Versorgungssicherheit, außerdem um Cybercrime, Identitätsdiebstahl und Online-Betrug. Oft zu sehendes Phänomen in solchen Zeiten: Man rauft sich zusammen in Arbeitsgruppen. Informationsbeschaffungs-Kooperationen und Netzwerken aller Art. Nur ein Beispiel: Die Gründung des Verbandes der deutschen Wirtschaftskanzleien (BWD). Kanzleien und Rechtsanwälte sowie deren Interessenvertretungen müssen sich der Frage stellen: "Was sind neue Themen für Rechtsanwälte?" und "Wie finde ich einen Zugang?" und auch "Wie erreiche ich diese jungen Leute, deren StartUps die Wirtschaft der Zukunft gestalten werden?" Wir haben dazu die unterschiedlichsten Rechtsanwälte befragt und hoffen, etwas beitragen zu können.
Inhaltsangabe zu "Neue Themen für Rechtsanwälte":
Energiewende sorgt für Wandel
Die Themen für Rechtsanwälte stellen ganz besondere Ansprüche. Bislang sorgten wirklich maßgebliche Veränderungen auf dem Rahmenbedingungen nur selten einem grundsätzlichen Anpassungsbedarf und der Anwalt musste sich nicht neu erfinden. Viele Themen rund um die Energiewende basieren aber auf grundsätzlich neuen Parametern, für die es vielfach noch gar keine Rechtsnormen gibt. Das ergibt neue Möglichkeiten gerade in einer Situation, die nach neuen Themen schreit.
Neuorientierung für Wirtschaftskanzleien
Aktuell hat sich ein Verband gegründet und wie immer gründet sich so etwas nicht umsonst. Mit Mitgliedsbeiträgen zwischen 10.000 und 20.000 Euro wollen einige im oberen Level der Begrifflichkeit "Mittelstandskanzleien" agierende Wirtschaftskanzleien Lobbyarbeit betreiben. Beim Blick auf die Mitgliedsliste fällt auf, dass die wirklich großen und international agierenden Wirtschaftskanzleien fehlen. Wie gesagt: "Ein Verband gründet sich nicht umsonst" und auch die personelle Besetzung ist selten zufällig.
Aber mit einem Hinweis auf die Kosten (mit 300.000 Euro lässt sich ein Verband vielleicht gründen, aber nicht führen) und die daran Beteiligten ist die Frage nach dem "Warum?" noch lange nicht beantwortet. Offiziell geht es um Lobbyarbeit - aber Lobbyarbeit macht Partner, angestellte Anwälte und Gesellschafter nicht satt, auch nicht das Heer an Mitarbeitern, das mittlerweile für die Abwicklung von Massenschadensfällen vorgehalten werden muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sich proaktiv auf Zukunftsthemen vorzubereiten. Im besten Fall macht so ein Verband die Arbeit, und die anderen ernten die Lorbeeren.
Stefan Rizor und Prof. Dr. Thomas Wegerich sind die Initiatoren des Projektes, das bislang noch nicht den ganz breiten Weg Richtung Öffentlichkeitsarbeit nutzt. Die Homepage glänzt erstmal hauptsächlich durch - gelungene - Selbstdarstellung. Schon die Benennung der Verbandsinstitutionen drückt Kampfesmut, Entschlossenheit aus: "Taskforce", "Advisory Board" und "Scientific Board" sind die Werkzeuge der zukünftigen Verbandsarbeit. Vielleicht ein Zeichen dafür, dass man sich im Bereich der Online-Akquise neuer Mandante nicht mehr weiterhin von halbseidenen und oft berufsfremden LegalTechs die Butter vom Brot nehmen lassen will. Allerdings: Dem Hauptziel, gute und beratende Kontakte zur Politik und Teilhabe an der Gesetzgebung zu erlangen, kommt man mit solchen Begrifflichkeiten natürlicht kaum näher. Den Eindruck macht's, als wolle man angeifen - nur wen?
Grundsätzlich ist es ja der richtige Weg, Einfluss nehmen zu wollen, und es ist auch selbsterklärend, dass das passiert, wenn die Problemlagen komplexer werden und die Mandanten schwieriger zu erreichen sind. Beispiel Abgasskandal: Hier haben die großen Hersteller über Jahre hinweg gegen minimale juristische Gegenwehr ihr Ding machen können. Kleine juristische Spitzfindigkeiten wie das Nutzungsentgelt für gefahrene Kilometer, ausgedacht von den wirklich großen Wirtschaftskanzleien, treten Verbraucherrecht und Umsatzinteressen von Anwälten mit Füßen. Oder der Fall CumEx - hier hätte ein Verband der Wirtschaftskanzleien den Beteiligten zeitnah und deutlich sagen können, worum's da überhaupt geht, statt drauf zu warten, dass irgendeine Ministeriums-Taskforce von alleine merkt, was da Recht ist und was nicht.
Wir wollen die Gründung eines Verbandes deutscher Wirtschaftskanzleien zum Anlass einer Recherche nehmen: "Was braut sich da für Rechtsanwälte zusammen? Gegen was wappnen sich die Kanzleien und sind sie auf den Paradigmenwechsel auf dem Rechtsberatungsmarkt ausreichend vorbereitet?"
Anwalt-Thema Energiewende
Die anstehende Energiewende ist viellleicht das interessanteste Anwaltsthema der Zukunft, denn es berührt nahezu alle Lebensbereiche und Kanzlei-Schwerpunkte, ohne als neues Rechtsgebiet zu viel Raum einzunehmen. Da ist wirklich für jeden etwas dabei. Bestes Beispiel: CO2-Abgaben. Jeder Bürger verursacht pro Jahr etwa 8 Tonnen CO2, Häuser verursachen CO2, Autos, Züge und Flugzeuge - aber auch Kühe auf der Weide und der Torfabbau. Wir sind nicht weit davon entfernt, dass jeder Bürger nicht nur Steuern für die Aufrechterhaltung des Systems bezahlen muss, sondern auch ein Entgelt für seine CO2-Produktion. Daraus wird sich die Erfordernis nach Rechtsrat ergeben, der sich - wie beim Steuern Sparen - konkret um Zahlungsvermeidungsmechanismen dreht. Auch ein neues Strafrecht wird daraus erwachsen - die CO2-Hinterziehung.

Die Energiewende und die Themen im Schlepptau
Dann geht es um den Rechtsberatungsbedarf all der neuen Firmen aus dem Energiebereich und um Ansprüche der Verbraucher, z.B.. der Anspruch, ein teuer eingekauftes Elektro-Auto auch immer und überall aufladen zu können, oder Schadenersatz beanspruchen zu können, wenn die Tesla-Batterie auf der Autobahn abfackelt oder Ziele nicht erreicht werden, weil der Akku doch nicht so lang hält wie versprochen. Und wer soll den Streit an der Ladestation klären?
Das Kapitalanlagerecht wird sich zum Thema "Grüne Kapitalanlagen" unbedingt weiterentwickeln müssen und hinterfragen, ob das Desinteresse eines Emittenten an sozialer und ökonomischer Verantwortung allein schon einen Schadenersatzanspruch auslöst. Im Miet- und Wohneigentumsrecht stehen erste Streitpunkte schon auf der Agenda, wenn es um die Co2-Abgabe von Vermietern geht, mit denen energetische Sanierungsstaus abgestraft werden sollen. Das alles wirkt bis ins Familienrecht hinwein wenn man hinterfragt, ob der Besuchskontakte verlangene Vater diese auch klimaneutral organisieren kann.