Twitch ist ursprünglich als Streaming-Plattform für die Gaming-Community bekannt geworden. Doch schon seit längerer Zeit werden dort nicht mehr nur Videospiele, sondern auch Glücksspiele live übertragen. Die Streamer spielen also an virtuellen Spielautomaten, teilweise um hohe Summen, während ihr Publikum ihnen live dabei zuschaut. Diese Art des Streamings erlebt derzeit einen regelrechten Hype, wird jedoch von vielen Seiten scharf kritisiert. Der Vorwurf: Viele Zuschauer werden dadurch in die Spielsucht getrieben. Aktuelle Einschränkungen sollen diese Gefahr eindämmen. Doch bieten sie keinen ausreichen Schutz, behaupten Kritiker.
Glücksspielunternehmen zahlen Millionenbeträge an Casino-Streamer
Glücksspiel-Streaming ist heutzutage ein großes Geschäft und sowohl für die Streamer als auch für die Online-Casinos äußerst lukrativ. Im Grunde fungieren die Streamer hierbei als Affiliates. Das heißt sie spielen live vor Publikum Casino-Spiele, häufig Slots, und machen damit gleichzeitig Werbung für den kooperierenden Anbieter. Unter anderem bieten sie ihren Zuschauern Bonuscodes oder Willkommenspakete über entsprechende Links an. Jedes Mal, wenn sich ein Zuschauer über diesen Link auf der Website des Online-Casinos anmeldet, erhält der werbende Streamer Geld dafür. Da Online-Casinos auf diesem Weg schnell und einfach Neukunden gewinnen können, zahlen sie den Streamer auch abseits des Affiliate-Programms zum Teil Millionenbeträge, nur damit sie ihre Casino-Spiele live vor Publikum spielen. Eine Win-Win-Situation also für beide Parteien. Der große Verlierer ist und bleibt jedoch der Zuschauer.
Casino-Streams bergen ein hohes Spielsucht-Risiko
Für die Zuschauer solcher Casino-Streamer dienen diese Übertragungen in erster Linie der Unterhaltung. Bekannte Twitch-Streamer ziehen ihr Publikum mit einer Mischung aus zum Teil absurd hohen Einsätzen bei ihren Spielen und einer einnehmenden Persönlichkeit an. Sie fallen durch ihr extravagantes Auftreten auf und drehen bei Gewinnen oft komplett durch. Insbesondere diese Emotionalisierung von Glücksspiel führt aber auch dazu, dass viele Zuschauer selbst dazu verleitet werden, ihr Glück online herauszufordern.
Die US-Wirtschaftsnachrichten-Seite Bloomberg berichtet von zahlreichen Twitch-Fans, die durch die Slot-Streams selbst in die Spielsucht getrieben wurden und Unsummen in entsprechenden Online-Casinos verspielt haben. Da sich die Plattform Twitch vor allem an junge Menschen richtet, berichten selbst Minderjährige von hohen Spielschulden – obwohl diese eigentlich noch gar nicht an Glücksspiel teilnehmen dürften.
Neue Twitch-Regeln sollen Glücksspiel einschränken
Da die Kritik gegenüber der Streaming-Plattform immer lauter wurde, reagierte Twitch im Oktober 2022 mit einer Verschärfung der Regeln zur Regulierung von Casino-Streams. So dürfen bspw. keine Roulette-, Würfel- und Slotspiele mehr übertragen werden, wenn der jeweilige Anbieter keine gültige US-Lizenz oder eine Lizenz aus anderen Ländern mit einem ausreichen Verbraucherschutz besitzt. Andere Formate wie Sportwetten, Pokerspiele oder Phantasiesportliegen bleiben von den neuen Regeln jedoch unberührt.
Kritiker behaupten, dass die Änderungen zwar ein Schritt in die richtige Richtung sind. Gleichzeitig seien sie nicht tiefgreifend genug, um die Spielsucht-Problematik wirksam einzudämmen. Streamer haben beispielsweise die Möglichkeit, von nun verbotenen zu weiterhin erlaubten Glücksspiel-Anbietern zu wechseln und ihre Casino-Streams so einfach fortzuführen.
Verbraucherschützer fordern uneingeschränktes Glücksspielverbot auf Twitch
Ob sich der Streaming-Anbieter mit Sitz in den USA auch an die deutsche Gesetzeslage zum Online-Glücksspiel halten wird, bleibt ebenfalls fraglich. Diese verbietet nämlich Anbieter, die über keine deutsche Lizenz verfügen. Also auch Online-Casinos mit Lizenzen aus Ländern wie Malta oder Gibraltar sind in Deutschland nicht erlaubt. Verbraucherschützer fordern daher ein uneingeschränktes Verbot von Casino-Streams auf der Plattform. Denn “andernfalls trägt Twitch auch in Zukunft ihren Teil dazu bei, dass junge Menschen in die Spielsucht und in den finanziellen Ruin getrieben werden”, kommentiert Angelika Menze, erste Vorsitzende des Verbraucherschutzvereins Berlin/Brandenburg (VSVBB).