Im Wohnmobil-Abgasskandal ist der Fiat-Mutterkonzern Stellantis vom OLG Naumburg mit Urteil vom 26.09.2023 wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen erneut zu Schadenersatz verurteilt worden (Az.: 8 U 37/23). Konkret ging es in dem Fall um ein Wohnmobil des Typs Sunlight T 65, das auf einem Fiat Ducato aufbaut.
Fiat geriet spätestens im Sommer 2020 im Abgasskandal in die Schlagzeilen, als die Staatsanwaltschaft Frankfurt eine groß angelegte Razzia an Fiat-Standorten in Deutschland, Italien und der Schweiz durchführen ließ. Anlass für die Durchsuchungen war der Verdacht der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen bei Fahrzeugen mit der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6. Damit war der Abgasskandal auch bei Wohnmobilen auf Basis eines Fiat Ducato angekommen. Zudem haben Abgasmessungen des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) oder auch der Deutschen Umwelthilfe bei verschiedenen Modellen des Fiat Ducato gezeigt, dass die gesetzlichen Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß zum Teil deutlich überschritten werden.
Mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen
In dem Fall vor dem OLG Naumburg hatte nun der Käufer eines Wohnmobils Sunlight T 65, das auf einem Fiat Ducato mit der Abgasnorm Euro 5 basiert, Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen geltend gemacht.
Das OLG Naumburg kam zu der Überzeugung, dass in dem Fahrzeug gleich mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz kommen. Eine unzulässige Abschalteinrichtung liege vor, wenn die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter normalen Betriebsbedingungen verringert wird. Dies sei hier der Fall. Denn nach Auskünften des Kraftfahrt-Bundesamts werde die Abgasrückführungsrate (AGR) in dem Modell nach Ablauf einer bestimmten Laufzeit des Motors verringert bzw. deaktiviert. Auch das Thermofenster reduziere in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur die Abgasreinigung. Zudem sorge eine Timerfunktion nach Ablauf einer bestimmten Zeit für eine Reduzierung der AGR, führte das OLG weiter aus.
Entscheidend für die Frage, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, sei nicht, ob die Motorsteuerung den Prüfstand erkennt, sondern ob sie anhand verschiedener Parameter Bedingungen erkennt, wie sie fast nur im Prüfmodus vorkommen und dann der Emissionsausstoß reduziert wird, während er unter normalen Betriebsbedingungen wieder steigt, machte das OLG Naumburg klar. Das sei hier der Fall.
Schadenersatz wegen Fahrlässigkeit
Allerdings könne Fiat bzw. der Konzernmutter keine vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB vorgeworfen werden. Daher habe der Kläger keinen Anspruch auf die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Er habe aber Anspruch auf den Ersatz des Differenzschadens, denn Stellantis habe bei der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtungen zumindest fahrlässig gehandelt. „Der BGH hatte mit Urteilen vom 26. Juni 2023 entschieden, dass im Abgasskandal Schadenersatzansprüche schon bei Fahrlässigkeit bestehen. Der geschädigte Käufer kann dann den Differenzschaden verlangen, der gemäß der Rechtsprechung des BGH zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises beträgt“, sagt Rechtsanwalt Andreas Schwering.
Das OLG Naumburg bezifferte den Differenzschaden im vorliegenden Fall auf 10 Prozent des Kaufpreises. Da der Käufer das Wohnmobil als Gebrauchtfahrzeug für rund 48.000 Euro gekauft hatte, hat er nun Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von ca. 4.800 Euro. Eine Nutzungsentschädigung wird nicht abgezogen und das Wohnmobil kann der Kläger behalten.
Schadenersatz auch bei anderen Herstellern
„Das Urteil zeigt, dass die Rechtsprechung des BGH Wirkung zeigt und Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit durchgesetzt werden können. Das gilt nicht nur bei Wohnmobilen bzw. Fiat, sondern auch bei anderen Herstellern wie Mercedes, BMW, VW, Audi oder Opel. Abhängig von der Art der unzulässigen Abschalteinrichtung können auch nach wie vor Schadenersatzansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, also auf Rückabwicklung des Kaufvertrags, bestehen“, so Rechtsanwalt Schwering.
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