Der Bundesgerichtshof hat mit Urteilen vom 26. Juni 2023 entschieden, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit des Autoherstellers gemäß § 823 BGB bestehen. Diese Rechtsprechung hat der BGH mit einem weiteren Urteil vom 20. Juli 2023 bekräftigt (Az.: III ZR 267/20).
In dem zu Grunde liegenden Fall ging es um einen Mercedes V 250 mit dem Dieselmotor des Typs OM 651 und der Schadstoffklasse Euro 6. Die Klägerin machte Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen, u.a. eines Thermofensters bei der Abgasreinigung geltend.
Die Klage scheiterte in erster und zweiter Instanz. Das OLG Naumburg wies die Klage ab, weil allein die Verwendung eines Thermofensters nicht ausreiche, um von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB auszugehen. Der BGH hob das Urteil nun auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das OLG Naumburg zurück. „Hintergrund ist, dass nach den Urteilen des BGH vom 26. Juni 2023 eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht mehr nachgewiesen werden muss, da bereits Fahrlässigkeit für Schadenersatzansprüche ausreicht. Unter diesem Gesichtspunkt muss das OLG erneut prüfen, ob die Klägerin Anspruch auf Schadenersatz hat“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Der BGH machte deutlich, dass die Klägerin gemäß § 823 BGB einen Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens haben könnte. Dazu reicht es bereits aus, dass Mercedes fahrlässig gehandelt hat.
Dass in dem Mercedes V 250 der Klägerin ein Thermofenster bei der Abgasreinigung verbaut ist, wurde in dem Verfahren am OLG Naumburg bereits festgestellt. Solche Thermofenster führen dazu, dass die Abgasreinigung in einem festgelegten Temperaurbereich zwar vollständig arbeitet, bei sinkenden oder hohen Außentemperaturen jedoch reduziert wird, so dass der Stickoxid-Ausstoß steigt. Der EuGH hat entschieden, dass Abschalteinrichtungen unzulässig sind, wenn sie dazu führen, dass bei im Jahresdurchschnitt üblichen Temperaturen die Abgasreinigung reduziert wird.
„Wenn der Fall am OLG Naumburg neu aufgerollt wird, wird Mercedes darlegen müssen, dass weder vorsätzlich noch fahrlässig eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wurde. Dieser Nachweis dürfte aber nur schwer zu erbringen sein“, so Rechtsanwalt Gisevius.
Stellt das Gericht eine fahrlässige Schädigung fest, hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens. Der beträgt nach der Rechtsprechung des BGH zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises und die Klägerin kann das Auto behalten. Ein Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer wird nur angerechnet, wenn sie zusammen mit dem Restwert des Fahrzeugs den gezahlten Kaufpreis übersteigt.
Der BGH hat durch seine Rechtsprechung vom 26. Juni 2023 die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Abgasskandal erheblich erleichtert. Das Urteil zeigt bereits Wirkung. So hat das Landgericht Frankenthal mit Urteil vom 5. Juli 2023 einem BMW-Käufer Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens zugesprochen (Az.: 6 O 335/22).
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