Über Jahre und in zahlreichen Verfahren behauptete VW im Abgasskandal, dass den Käufern der von den Abgasmanipulationen betroffenen Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189 kein Schaden entstanden sei. Dass der Autobauer diese Meinung ziemlich exklusiv hat, hat ihm nun der Bundesgerichtshof bescheinigt. Der BGH verurteilte VW am 25. Mai 2020 wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz (Az.: VI ZR 252/19).
Die Entscheidung aus Karlsruhe vom 25. Mai 2020 kam nicht überraschend. Schon in der mündlichen Verhandlung vor rund drei Wochen hatte der BGH in seiner vorläufigen Rechtsauffassung deutlich zu erkennen gegeben, dass ihn die Argumente von VW nicht überzeugen und er dem Kläger wohl Schadensersatz zusprechen wird. An dieser Einstellung hat sich nichts mehr geändert. VW ist im Abgasskandal schadensersatzpflichtig, so der BGH.
Der Entscheidung des BGH lag die Klage eines Mannes zu Grunde, der 2014 einen VW Sharan mit dem Motor EA 189 als Gebrauchtwagen gekauft hatte. Nachdem der Abgasskandal im Herbst 2015 aufflog, fühlte er sich getäuscht und machte Schadensersatzansprüche geltend.
Das OLG Koblenz sprach ihm auch Schadensersatz zu. VW habe ihn vorsätzlich sittenwidrig geschädigt und müsse ihm daher gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis erstatten. Für die gefahrenen Kilometer dürfe der Konzern allerdings eine Nutzungsentschädigung abziehen.
Gegen dieses Urteil hatten beide Parteien Revision eingelegt. Der BGH bestätigte nun aber die Entscheidung des OLG Koblenz im Wesentlichen. Durch die Abgasmanipulationen habe VW den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, so die Karlsruher Richter. Dieses sittenwidrige Verhalten von VW komme einer arglistigen Täuschung gleich und habe den Kläger auch zum Abschluss des Kaufvertrags veranlasst. Diesem sei schon mit Abschluss eines Kaufvertrags der Schaden entstanden. Daher könne der Kläger die Erstattung des Kaufpreises verlangen. Da er aber auch nicht besser gestellt werden darf als er ohne den ungewollten Vertragsabschluss stünde, muss er sich für die gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, führte der BGH aus.
Das Urteil des BGH wird wegweisend für die rund 60.000 Verfahren sein, die im Dieselskandal noch zu Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 anhängig sind. „Die Gerichte werden sich an der verbraucherfreundlichen Entscheidung des BGH orientieren“, so Rechtsanwältin Bauer.
Die erfahrene Rechtsanwältin geht davon aus, dass das Urteil auch Strahlkraft auf weitere Verfahren im Abgasskandal haben wird, bei denen es nicht um Fahrzeuge mit dem Motor EA 189, sondern auch um Pkw mit 3-Liter-Motoren des Typs EA 897 oder mit dem Nachfolgemotor EA 288 geht. Zudem sind neben VW auch andere Hersteller wie Daimler oder BMW unter Druck geraten, als die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston deutlich gemacht hat, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für illegal hält, wenn sie im realen Straßenverkehr für einen höheren Emissionsausstoß sorgen. „Damit wären beispielsweise auch die sog. Thermofenster, die in vielen Dieselfahrzeugen verschiedener Hersteller zum Einsatz kommen, unzulässige Abschalteinrichtungen. Dementsprechend können auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden“, erklärt Rechtsanwältin Bauer.