Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 28. März 2024 festgestellt, dass Mercedes unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet hat (Az.: 24 MK 1/21). Damit sind die Chancen auf Schadenersatz im Mercedes-Abgasskandal weiter gestiegen. Vor dem OLG Stuttgart ging es um bestimmte Mercedes-Modelle der Baureihen GLC und GLK mit dem Dieselmotor des Typs OM 651.
„Das Urteil dürfe aber auch Signalwirkung für weitere Mercedes-Modelle haben. Denn der Motor des Typs OM 651 wurde in zahlreichen Modellen eingesetzt. Außerdem hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26. Juni 2023 entschieden, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal schon bei Fahrlässigkeit des Autoherstellers bestehen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser.
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat seit 2018 für eine Reihe von Mercedes-Fahrzeugen einen verpflichtenden Rückruf wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen angeordnet. Mercedes vertritt jedoch den Standpunkt, dass die bemängelten Funktionen zulässig sind.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) wollte nun feststellen lassen, ob Mercedes unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet und sich dadurch schadenersatzpflichtig gemacht hat. Wie schon im VW-Abgasskandal reichte der vzbv daher eine Musterfeststellungsklage gegen Mercedes ein, der sich rund 2.800 Mercedes-Kunden angeschlossen haben. Die Musterklage beschränkte sich auf Mercedes GLC- und GLK-Modelle mit dem Motortyp OM 651, die einem Rückruf des KBA unterliegen. Konkret betroffen sind die Mercedes-Modelle GLC 220 d 4Matic, GLC 250 d 4Matic, GLK 200 CDI, GLK 220 CDI, GLK 220 CDI 4Matic, GLK 220 BlueTec und GLK 250 BlueTec.
Das OLG Stuttgart hat nun festgestellt, dass Mercedes in den Modellen unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet hat. Dabei hat es jedoch differenziert: Bei den betroffenen Mercedes-Modellen mit der Abgasnorm Euro 6 komme eine unzulässige Abschalteinrichtung bei der AdBlue-Dosierstrategie zum Einsatz, die auch als „Bit 13“ bezeichnet werde. Bei dieser Funktion sei davon auszugehen, dass Mercedes-Mitarbeiter es zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass es sich dabei um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, so das OLG.
Modelle mit der Abgasnorm Euro 5 verfügen jedoch über kein SCR-System, so dass hier auch keine AdBlue-Dosierstrategie verwendet wurde. Allerdings sei hier eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung zum Einsatz gekommen, führte das OLG Stuttgart aus. Anhaltspunkte für vorsätzliches Handeln lägen hier aber nicht vor.
„Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH muss für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal kein Vorsatz vorliegen. Es reicht schon, wenn der Autohersteller fahrlässig gehandelt hat. Fahrlässigkeit bei der Verwendung des Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung oder auch dem Thermofenster haben schon diverse Gerichte bestätigt und Mercedes zu Schadenersatz verurteilt“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser.
Anders als bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wird bei Fahrlässigkeit der Kaufvertrag nicht vollständig rückabgewickelt. Stattdessen hat der Käufer Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens, der zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises liegt. Das Fahrzeug kann der Kläger dann behalten.
Dr. Gasser ist Kooperationsanwalt der IG. Er berät Sie gerne zu Ihren Schadenersatzansprüchen gegen Mercedes.
Mehr Informationen: https://www.ingogasser.de/mercedes-abgasskandal/