Der BGH hat mit Urteil vom 9. Juli 2025 ein weiteres Mal die Rechte der Versicherungsnehmer beim Widerruf einer Rentenversicherung gestärkt (Az. IV ZR 161/23). Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass ein Widerruf auch Jahre nach Vertragsschluss noch wirksam erfolgen kann, wenn der Versicherer eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet hat. Der Versicherer könne sich dann nur in Ausnahmefällen auf Treu und Glauben oder Rechtsmissbrauch berufen.
„Der BGH setzt mit diesem Urteil seine verbraucherfreundliche Rechtsprechung beim Widerruf von Lebens- und Rentenversicherungen fort. Dabei stellt er klar, dass der Einwand der Versicherer, dass ein Jahre nach Vertragsschluss erklärter Widerruf gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoße, klare Grenzen hat“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser.
Die Klägerin in dem zugrunde liegenden Fall hatte im Jahr 2009 eine Basisrentenversicherung, eine sog. Rürup-Rente, abgeschlossen. In den folgenden Jahren zahlte sie regelmäßig ihre Beiträge. Sie stimmte auch einer Umstellung ihres Vertrags auf die neuen Zertifizierungsbedingungen zu, um ihre steuerlichen Vorteile zu sichern und leistete auf Anraten des Versicherers zwei Zuzahlungen. Im Jahr 2021 erklärte sie den Widerruf und verlangte die Rückabwicklung des Vertrags. Da der Versicherer den Widerruf ablehnte, klagte sie und verlangte die Rückzahlung ihrer geleisteten Beiträge in Höhe von 41.500 Euro.
Das OLG Hamm wies die Klage ab. Es stellte zwar fest, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war und die Widerrufsfrist deshalb nicht angelaufen sei. Allerdings habe die Frau sich mit dem Widerruf zwölf Jahre nach Vertragsschluss treuwidrig verhalten und der Widerruf sei deshalb nicht wirksam erfolgt. Der BGH hob die Entscheidung des OLG Hamm im Revisionsverfahren jedoch auf.
Zunächst stellten die Karlsruher Richter fest, dass die verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. So wurde der Beginn der Widerrufsfrist in der Belehrung davon abhängig gemacht, dass der Versicherer seine Pflichten „gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB“ erfüllt. Damit bezog sich die Widerrufsbelehrung allerdings auf die Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr. „Da der Vertrag aber per Briefpost abgeschlossen wurde, finden diese Regelungen hier keine Anwendung“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser. Hinzu kam ein weiterer Fehler, denn die Widerrufsbelehrung bezog sich weiter auf Art. 246 §3 EGBGB. Diese Regelung war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses allerdings noch gar nicht in Kraft getreten.
Die Fehler in der Widerrufsbelehrung seien auch nicht geringfügig. Da die Widerrufsbelehrung die Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist nicht korrekt genannt habe, habe die Widerrufsfrist nie zu laufen begonnen, stellte der BGH klar.
Weiter machte der BGH deutlich, dass die Klägerin mit ihrem Widerruf rund 12 Jahre nach Vertragsschluss auch nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen habe. Zwar könne die Ausübung des Widerrufsrechts bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung in Ausnahmefällen Treu und Glauben widersprechen. Dazu müssten aber besonders gravierende Umstände vorliegen. Das sei hier aber nicht der Fall, so der BGH. Die Klägerin habe zwar zugestimmt, den Vertrag auf die neuen Zertifizierungsbedingungen umzustellen und sie habe auch Zuzahlungen geleistet. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass sie den Vertrag ungeachtet ihres Widerrufsrechts aufrecht erhalten wollte. Vielmehr habe dies der vertragsgemäßen Durchführung der Rentenversicherung gedient. Es liege dadurch kein gravierender Umstand vor, aus dem der Versicherer auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, machte der BGH deutlich. Das OLG Hamm muss nun erneut über den Widerruf entscheiden.
„Der BGH hat die Rechte der Versicherungsnehmer mit diesem Urteil erheblich gestärkt. Für die Versicherer dürfte es nun deutlich schwieriger werden, sich auf eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts zu berufen“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser. Verbraucher, die aus ihrer Rentenversicherung oder Lebensversicherung aussteigen möchten, können ihre Widerrufsmöglichkeiten prüfen lassen.
Rechtsanwalt Dr. Gasser berät Sie gerne zu Ihren Möglichkeiten.
Mehr Informationen: https://www.ingogasser.de/

