Der Widerruf eines Autokredits ist auch Jahre nach Abschuss noch möglich, wenn die Bank eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung oder unzureichende Pflichtangaben verwendet hat. Das hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 21.12.2021 entschieden (Az.: 6 U 129/21). „Damit folgte das Oberlandesgericht der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der die Tür für den Widerrufsjoker weit aufgestoßen hat“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser.
Der EGH hat mit Urteil vom 9. September 2021 deutlich gemacht, dass die Angaben der Banken u.a. zum Verzugszinssatz oder zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung oft unzureichend sind. Folge ist, dass die ursprünglich 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt wurde und der Widerruf weiter möglich ist (Az.: C-33/20, C-155/20, C-187/20). „Das Urteil ist absolut richtungweisend. Nach dieser Entscheidung sind zahlreiche Verbraucherdarlehen, zu denen auch Autokredite zählen, weiterhin widerrufbar. Die Gerichte werden sich an der Rechtsprechung des EuGH orientieren“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser.
Das zeigt auch das Urteil des OLG Stuttgart. Hier hatte der Kläger 2014 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Autokaufs geschlossen. Im Januar 2018 erklärte er den Widerruf des Kreditvertrags. Er führte aus, dass der Vertrag nicht alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen enthalte und der Widerruf daher immer noch möglich sei.
Seine Klage wies das Landgericht Heilbronn in erster Instanz ab, weil das Widerrufsrecht 2018 bereits verwirkt gewesen sei. Das OLG Stuttgart sah dies im Berufungsverfahren jedoch anders. Der Darlehensvertrag enthalte keine ausreichenden Informationen zum Verzugszinssatz. Dieser sei lediglich abstrakt mit 5 Prozentpunkten über dem Basissatz angegeben. Das sei zu pauschal und genüge den Anforderungen nicht. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse der Verzugszins konkret in Form eines Prozentsatzes angegeben werden, machte das OLG Stuttgart deutlich. Aufgrund dieser unzureichenden Angabe habe die Widerrufsfrist nicht begonnen.
Zudem sei das Widerrufsrecht auch nicht verwirkt gewesen. Dem stehe entgegen, dass der Kläger den Darlehensvertrag zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht vollständig erfüllt habe, so das OLG. Der Widerruf sei wirksam erfolgt.
Da bei einem Autokredit zwischen Kaufvertrag und Darlehensvertrag häufig ein sog. verbundenes Geschäft vorliegt, werden durch den erfolgreichen Widerruf beide Verträge rückabgewickelt. Der Verbraucher kann das Fahrzeug dann an die Bank geben und die Erstattung seiner erbrachten Ratenzahlungen inkl. einer möglichen Anzahlung verlangen. Die Bank kann ggf. einen Nutzungsersatz geltend machen.
„Der Widerrufsjoker bietet daher eine interessante Möglichkeit, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Das ist zumeist lukrativer als der Weiterverkauf des Fahrzeugs“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser. Fehlerhafte Angaben, die den Widerruf ermöglichen, sind vielen Banken unterlaufen.
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