Die Audi AG muss im Abgasskandal Schadenersatz bei einem Audi Q7 3,0 TDI leisten. Das hat das Landgericht Kiel mit Urteil vom 1. April 2022 entschieden (Az.: 17 O 309/21). „Das Gericht ist unserer Auffassung gefolgt, dass in dem Audi Q7 eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und die Audi AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadenersatz verpflichtet ist“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser, der das Urteil erstritten hat.
Die Klägerin hatte den Audi Q7 3,0 TDI im März 2016 als Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 25.700 Kilometern zum Netto-Kaufpreis von ca. 45.200 Euro erworben. In dem Fahrzeug ist ein 3-Liter-Dieselmotor mit der Abgasnorm Euro 6 verbaut.
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte für eine Reihe von Audi-Modellen mit diesem Motor unter dem Code 23X6 einen Rückruf wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems angeordnet. Von einem solchen verpflichtenden Rückruf war auch der Audi Q7 der Klägerin betroffen.
Das KBA bemängelte, dass in dem Motor die sog. schnelle Aufheizstrategie zum Einsatz kommt. Mit Hilfe dieser Funktion können die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß eingehalten werden. Allerdings ist die Funktion fast nur unter Bedingungen wie sie im Prüfmodus herrschen aktiv. Schon kleine Abweichungen davon führen zur Abschaltung der Aufheizstrategie. „Im Ergebnis führt das dazu, dass die Funktion unter normalen Betriebsbedingungen im realen Straßenverkehr überwiegend deaktiviert ist und der Stickoxid-Ausstoß steigt“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser. Die Klägerin ließ das folgende Software-Update zwar aufspielen, machte aber auch Schadenersatzansprüche geltend.
Die Klage hatte Erfolg. Das LG Kiel stellte fest, das in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und die Klägerin vorsätzlich sittenwidrig geschädigt wurde. Gemäß § 826 BGB habe sie daher Anspruch auf Schadenersatz.
Die Aufheizstrategie ziele laut KBA darauf ab, das Emissionsverhalten des Fahrzeugs ausschließlich auf dem Prüfstand zu verbessern, um so den Grenzwert für den Stickoxid-Ausstoß einzuhalten, während die Funktion im Realverkehr kaum aktiv ist. Es handele sich daher um eine unzulässige Abschalteinrichtung, stellte das LG Kiel klar. Audi habe damit ein Fahrzeug in den Verkehr gebracht, das nicht zulassungsfähig sei.
Der Klägerin sei dadurch schon mit Abschluss des Kaufvertrags ein Schaden entstanden. Es könne davon ausgegangen werden, dass sie das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn sie Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung verbunden mit einem drohen Entzug der Typengenehmigung gehabt hätte. Der Kaufvertrag sei daher rückabzuwickeln, entschied das LG Kiel.
Gegen Rückgabe des Audi Q7 kann die Klägerin die Erstattung des Kaufpreises (ca. 45.200 Euro) abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 27.500 Euro für die gefahrenen rund 166.800 Kilometer verlangen. Damit bleibt ein Anspruch auf Zahlung von knapp 17.700 Euro. Hinzu kommt noch ein Anspruch auf Ersatz der Finanzierungskosten in Höhe von 1.770 Euro.
Audi hat die Dieselmotoren mit 3 Litern Hubraum und mehr entwickelt und hergestellt. Die Motoren kamen nicht nun in zahlreichen Audi-Modellen, sondern auch im Porsche Cayenne, Porsche Macan oder VW Touareg zum Einsatz. Das KBA hat zahlreiche Modelle wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückgerufen. „Bei diesen Fahrzeugen bestehen gute Chancen, Schadenersatzansprüche durchzusetzen, wie zahlreiche Gerichtsurteile zeigen“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.
Mehr Informationen: https://www.ingogasser.de/audi-abgasskandal/