VW gerät im Abgasskandal wieder unter Druck. Grund ist, dass viele Dieselmodelle der Konzernmarken VW, Audi und Seat auch nach dem Software-Update weiterhin mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet sind. Das hat das Verwaltungsgericht Schleswig mit Urteil vom 17. Januar 2024 deutlich gemacht und klargestellt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) keine Freigabe für das Software-Update hätte erteilen dürfen (Az.: 3 A 332/20).
Das Gericht forderte das KBA auf, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, damit die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt wird. Betroffen sind insgesamt 62 Fahrzeugtypen des VW-Konzerns mit dem Dieselmotor EA 189 und der Schadstoffklasse Euro 5. Auf die Fahrzeuge musste nach Bekanntwerden des Dieselskandals ein Software-Update aufgespielt werden, damit die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt wird und die Fahrzeuge ihre Zulassung nicht verlieren.
Das VG Schleswig hat nun entschieden, dass die Freigaben des KBA für 62 Fahrzeugtypen rechtswidrig waren „Rund acht Jahre später stehen die betroffenen Autobesitzer vor der gleichen Situation. Ihnen droht ein weiterer Rückruf und im schlimmsten Fall der Verlust der Zulassung“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel.
Die Freigaben der Software-Updates seien rechtswidrig gewesen, weil mit dem Update auch eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters aufgespielt worden sei, so das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht. Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung des EuGH vom 8. November 2022 (Az. C-873/19), nach der Abschalteinrichtungen wie ein Thermofenster nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig sein können, wenn sie zum unmittelbaren Schutz des Motors vor Beschädigung oder für den sicheren Betrieb des Fahrzeugs erforderlich sind. Eine solche konkrete Gefahr liege aber nicht vor, so das VG Schleswig. Nicht nur das Thermofenster stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, sondern auch die Reduzierung der Abgasrückführung ab 1.000 Metern Höhe oder die sog. Taxi-Schaltung, bei der nach 900 Sekunden im Leerlauf die Abgasrückführung reduziert wird.
Schon im Februar 2023 hatte das VG Schleswig entschieden, dass das Software-Update bei einem VW Golf wegen des Thermofensters unzulässig ist. Das hat das Gericht nun auch für 62 weitere Modellvarianten festgestellt und die Freigaben des KBA aufgehoben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht hat die Revision zum Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht sowie die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die nun eine sofortige Hardware-Umrüstung für die betroffenen Fahrzeuge oder deren Stilllegung fordert. Die Fahrzeugbesitzer müssten dann entsprechend vom Autohersteller entschädigt werden. Zudem kündigte die DUH weitere Klagen an. Dann geht es um Modelle der Hersteller Mercedes, BMW, Porsche, Fiat und 15 weiteren Herstellern.
Das Urteil zeigt, dass der Abgasskandal noch lange nicht zu den Akten gelegt werden kann, weder von VW noch von anderen Herstellern. Betroffene Fahrzeughalter müssen hingegen im schlimmsten Fall mit der Stilllegung ihrer Fahrzeuge rechnen. „Betroffene Fahrzeughalter haben aber gute Chancen sich zu wehren. Sie dürften Anspruch auf eine entsprechende Nachrüstung oder auch Rücknahme des Autos haben“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser. Zudem hat der BGH im Sommer 2023 die Hürden für Schadenersatzansprüche gesenkt und entschieden, dass schon Fahrlässigkeit des Autoherstellers für Schadenersatzansprüche ausreicht.
Rechtsanwalt Dr. Gasser ist Kooperationspartner der IG Dieselskandal und steht betroffenen Autobesitzern als Ansprechpartner gerne zur Verfügung.
Mehr Informationen: https://www.ingogasser.de/abgasskandal/