Im Abgasskandal hat das Landgericht Stuttgart dem Käufer eines Mercedes Vito Schadenersatz zugesprochen. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist und Mercedes daher Schadenersatz leisten muss.
Der Kläger hatte den Mercedes Vito mit dem Dieselmotor des Typs OM 651 und der Abgasnorm Euro 5 im November 2020 als Gebrauchtwagen gekauft. Er machte Schadenersatzansprüche geltend, weil in dem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien. So käme u.a. die Kühlmittel-Solltemperaturregelung zum Einsatz. Diese sorgt dafür, dass im Prüfmodus der Kühlmittelkreislauf kühler gehalten und die Erwärmung des Motoröls verzögert wird. Das führt zu einer Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes. Unter normalen Betriebsbedingungen im Straßenverkehr ist die Funktion jedoch kaum aktiv, d.h. die Temperatur steigt und der Ausstoß der Stickoxid-Emissionen erhöht sich. Im Ergebnis werde der zulässige Grenzwert für den Stickoxidausstoß nur auf dem Prüfstand, nicht aber im Straßenverkehr eingehalten, so der Kläger.
Das LG Stuttgart folgte seiner Argumentation. Mit der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung habe Mercedes sich zumindest fahrlässig verhalten. Der Kläger habe daher gemäß § 823 BGB Anspruch auf Schadenersatz.
Das Gericht stellte klar, dass die Abgasgrenzwerte nicht nur auf dem Prüfmodus, sondern auch unter normalen Betriebsbedingungen eingehalten werden müssen. Diese Vorgaben erfülle der Mercedes Vito des Klägers nicht. Durch die unzulässige Abschalteinrichtung habe daher die Gefahr bestanden, dass die Zulassung des Fahrzeugs widerrufen wird. Dem Kläger sei schon mit Abschluss des Kaufvertrags ein Schaden entstanden, da davon ausgegangen werden könne, dass er das Fahrzeug bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht gekauft hätte, so das LG Stuttgart. Der Kaufvertrag müsse daher rückabgewickelt werden. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs könne der Kläger von Mercedes die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer verlangen, entschied das LG Stuttgart.
Zahlreiche Gerichte haben inzwischen entschieden, dass Mercedes sich durch die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen schadenersatzpflichtig gemacht hat. „Es bestehen daher gute Chancen, Schadenersatzansprüche gegen Mercedes durchzusetzen“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Die Chancen auf Schadenersatz dürften noch gestiegen sein, nachdem der EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos in einem Verfahren zum Mercedes-Abgasskandal in seinem Schlussantrag vom 2. Juni 2022 deutlich gemacht hat, dass Autohersteller schon dann Schadenersatz leisten müssen, wenn sie nur fahrlässig gehandelt haben. „Den Autoherstellern muss demnach kein Vorsatz oder Sittenwidrigkeit nachgewiesen werden und sie können sich nicht mit Fahrlässigkeit herausreden“, so Rechtsanwalt Gisevius.
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