Auch bei Kauf des Fahrzeugs nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals am 22. September 2015 können noch Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Das zeigt ein Urteil des Landgerichts Krefeld vom 19. August 2020 (Az.: 2 O 541/19).
Das Gericht hat entschieden, dass Volkswagen einen vom Abgasskandal betroffenen VW Tiguan mit dem Dieselmotor EA 189 zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstatten muss. Das Bemerkenswerte an dem Urteil ist, dass der Kläger den VW Tiguan erst im August 2016, also fast ein Jahr nach Bekanntwerden des Abgasskandals erworben hatte.
Für Käufe nach Bekanntwerden des Abgasskandals hatte der BGH Ende Juli entschieden, dass kein Schadensersatzanspruch bestehe, weil VW sein Verhalten ab dem 22. September 2015 geändert habe und dem Autobauer keine Sittenwidrigkeit mehr vorgeworfen werden könne (Az.: VI ZR 5/20).
„Wie das Urteil des LG Krefeld zeigt, lassen sich nicht alle Fälle pauschal über einen Kamm scheren. Es müssen immer die Rahmenbedingungen im Einzelfall beachtet werden“, sagt Rechtsanwalt Fredrick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtanwälte.
In dem Fall vor dem BGH hatte der Kläger einen vom Dieselskandal betroffenen VW Touran als Gebrauchtwagen im August 2016 bei einen Händler gekauft. Der BGH sprach hier den Schadensersatzanspruch ab, weil Käufer von gebrauchten VW-Dieselfahrzeugen aufgrund der medialen Berichterstattung über die Abgasmanipulationen nicht mehr als selbstverständlich annehmen durften, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Für die Ausnutzung einer entsprechenden Arglosigkeit des Käufers sei kein Raum mehr gewesen. Daher könne VV zu diesem Zeitpunkt keine Sittenwidrigkeit mehr vorgeworfen werden, so der BGH.
In dem Fall vor dem LG Krefeld verhält es sich allerdings anders. Hier hatte der Kläger im August 2016 einen Neuwagen direkt bei VW erworben. Fast ein Jahr nach Bekanntwerden des Abgasskandals könne wieder eine entsprechende Arglosigkeit unterstellt werden, so das Gericht. Zudem habe VW hier die Gelegenheit gehabt, über die Betroffenheit des Fahrzeugs aufzuklären. Da diese Aufklärung ausblieb, könne hier immer noch von Sittenwidrigkeit gesprochen werden, entschied das LG Krefeld.
„Das Urteil zeigt, dass auch bei Kauf nach dem 22. September 2015 noch Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden können. Es kommt auf den Einzelfall an“, so Rechtsanwalt Gisevius.
So stellt sich besonders auch die Frage, ob Käufer eines Seat, Skoda oder Audi wissen konnten, dass in ihrem Fahrzeug der VW-Motor EA 189 steckt, bei dem die Abgaswerte manipuliert worden waren. Das Landgericht Mönchengladbach hat das im Falle eines Klägers, der einen betroffenen Seat Diesel im Oktober 2015, also rund einen Monat nach Beginn des Dieselskandals gekauft hatte, verneint und ihm mit Urteil vom 14. August 2020 Schadensersatz zugesprochen.
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