Mehr als 400.000 geschädigte Autokäufer haben sich der Musterfeststellungsklage gegen VW angeschlossen. Das Musterverfahren wird am 30. September 2019 am OLG Braunschweig eröffnet. Bis dahin können sich die Verbraucher von der Musterklage auch wieder abmelden und ihre Schadensersatzansprüche individuell verfolgen. Danach ist das nicht mehr möglich.
„Zunächst haben die Verbraucher mit ihrer Anmeldung zur Musterklage alles richtig gemacht. Die Verjährung ihrer Schadensersatzansprüche wurde dadurch gehemmt und sie sind kein Prozesskostenrisiko eingegangen. Doch fast ein Jahr später hat sich die Situation geändert. Zahlreiche Landgerichte und auch die Oberlandesgerichte Köln, Koblenz und Karlsruhe haben inzwischen entschieden, dass sich VW durch die Abgasmanipulationen schadensersatzpflichtig gemacht hat. Die Chancen, Ansprüche gegen VW durchzusetzen, stehen besser denn je. Im Wege der Einzelklage lassen sie sich besser durchsetzen als in der Musterklage“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Die Musterklage weist im Vergleich zur Einzelklage schwerwiegende Nachteile auf. Allgemein wird davon ausgegangen, dass es vor 2023 zu keiner rechtskräftigen Entscheidung kommen wird. Sollte dann entschieden werden, dass VW schadensersatzpflichtig ist – was keineswegs sicher ist – müssen die persönlichen Schadensersatzansprüche noch individuell geltend gemacht werden und weitere Zeit vergeht. „Es dauert also nicht nur lange bis die geschädigten Autokäufer zu ihrem Geld kommen, es könnte auch sein, dass von ihrem Schadensersatzanspruch dann nicht mehr viel übrig ist“, so Rechtsanwalt Gisevius.
Grund dafür ist der sog. Nutzungsersatz. Zwar sprechen viele Gerichte den Verbrauchern Schadensersatz zu, allerdings gewähren sie VW auch häufig den Abzug einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer. Heißt: Solange das Musterverfahren läuft, kann jeder gefahrene Kilometer mit dem betroffenen Fahrzeug den Verbraucher bares Geld kosten. „Der Gewinner ist dann die Volkswagen AG, die immer weniger zahlen muss“, erklärt Rechtsanwalt Gisevius.
Dieses Risiko gehen die Verbraucher bei einer Einzelklage nicht ein. Hier liegt die Verfahrensdauer durchschnittlich bei etwa 9 bis 12 Monaten.
Ein weiterer Nachteil dürfte sein, dass die Musterfeststellungsklage ausgerechnet am OLG Braunschweig verhandelt wird. Während quer durch die Republik Gerichte im Abgasskandal zu Gunsten der Verbraucher entscheiden, ist das am Gerichtsstandort Braunschweig nicht der Fall. Das OLG Braunschweig hat bereits eine Klage abgewiesen und Anfang Juli erst deutlich gemacht, dass es einige Feststellungsziele der Musterklage für zu weit gefasst hält und diese daher unzulässig sein könnten. „Es stellt sich die Frage, was am Ende von der Musterklage übrig bleibt“, sagt Rechtsanwalt Gisevius.
Vor diesem Hintergrund sollten die geschädigten Autokäufer noch einmal überprüfen, ob die Musterklage für sie tatsächlich der richtige Weg ist oder ob sie sich noch rechtzeitig bis zum 30. September wieder abmelden und sich für eine Einzelklage entscheiden.
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