Der VW-Abgasskandal muss möglicherweise neu aufgerollt werden. Grund ist ein bemerkenswertes Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 20. Februar 2023. Das VG gab einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) statt und entschied, dass das Software-Update von VW im Dieselskandal unzulässig ist. Mit dem Update sei erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung aufgespielt worden.
Der VW-Abgasskandal flog im Herbst 2015 auf. Es wurde bekannt, dass Dieselfahrzeuge der Konzernmarken VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Motor des Typs EA 189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet sind und die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Folge war, dass Millionen Fahrzeuge in die Werkstatt mussten, damit die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt und ein Software-Update aufgespielt werden konnte. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte grünes Licht für das Update gegeben.
„Nach dem Urteil des VG Schleswig ist klar, dass der Abgasskandal auch für VW-Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 noch nicht beendet ist. Sie sind nach wie vor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterwegs“, sagt Rechtsanwalt Frederick M. Gisevius, BRÜLLMANN Rechtsanwälte. Den betroffenen Fahrzeugen könnte ein erneuter Rückruf drohen.
Software-Update für VW Golf unzulässig
Nachdem der EuGH Ende 2022 entschieden hat, dass die Deutsche Umwelthilfe im Abgasskandal klageberechtigt ist, hat diese Nägel mit Köpfen gemacht und Klagen gegen die Freigabebescheide des KBA für das Software-Update eingereicht. Über eine erste Klage hat das Verwaltungsgericht Schleswig jetzt entschieden. Es hat den Freigabebescheid für ein Modell des VW Golf mit dem Motor EA 189 aufgehoben und damit VW und dem KBA eine schwere Niederlage zugefügt.
Das KBA hatte das Software-Update von VW genehmigt, so dass die vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge nach der Installation des Updates weiter auf der Straße unterwegs sein durften. Da die Fahrzeuge nach Ansicht der DUH auch nach dem Update noch eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielten, reichte sie Klage ein und hatte Erfolg.
Das VG Schleswig machte deutlich, dass auch das Software-Update eine illegale Abschalteinrichtung enthält. Im Kern geht es dabei um das sog. Thermofenster. Dieses sorgt dafür, dass die Abgasreinigung bei sinkenden Außentemperaturen reduziert wird. Das hat zur Folge, dass dann auch die Stickoxid-Emissionen steigen. VW begründet diese Maßnahme mit Motorschutzgründen.
EuGH: Thermofenster ist unzulässige Abschalteinrichtung
Dieser Argumentation hat der Europäische Gerichtshof eine klare Absage erteilt und mit Urteil von 14. Juli 2022 entschieden, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Das VG Schleswig hat sich der Rechtsprechung des EuGH angeschlossen. Nun könnte Millionen Dieselfahrzeugen ein erneuter Rückruf drohen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, beide Seiten können noch Revision einlegen.
Die DUH hat angekündigt gegen weitere Freigabebescheide des KBA bei verschiedenen Autoherstellern vorzugehen. Weitere 118 Klagen seien bereits anhängig.
EuGH entscheidet am 21. März
Der Abgasskandal kann eine neue Dimension erreichen, denn viele Autohersteller verwenden Thermofenster bei der Abgasreinigung. In diesem Zusammenhang wird auch ein weiteres Urteil des EuGH im Abgasskandal erwartet. Es geht um die Frage, ob im Abgasskandal schon Schadenersatzansprüche bestehen, wenn der Autohersteller nur fahrlässig gehandelt hat. Der EuGH-Generalanwalt hat dies in seinem Schlussantrag bereits bejaht. „Folgt der EuGH wie vielfach erwartet dem Generalanwalt und entscheidet verbraucherfreundlich, muss den Autoherstellern kein Vorsatz mehr nachgewiesen werden. Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen würde dadurch wesentlich erleichtert“, so Rechtsanwalt Gisevius. Mit einem Urteil des EuGH wird am 21. März 2023 gerechnet.
Die Kanzlei BRÜLLMANN Rechtsanwälte ist Kooperationspartner der IG Dieselskandal und bietet Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung Ihrer Möglichkeiten an. Sprechen Sie uns an.
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