Die Befreiung von der Erbschaftssteuer entfällt nicht rückwirkend, wenn der überlebende Ehepartner aus gesundheitlichen Gründen vor Ablauf von zehn Jahren aus dem Familienheim auszieht. Das hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 1. Dezember 2021 entschieden (Az.: II R 1/21).
Das Familienheim kann steuerfrei vererbt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Zu den Bedingungen gehört u.a., dass der Erblasser selbst in dem Haus gewohnt hat und der Ehepartner das Familienheim für mindestens zehn Jahre selbst für Wohnzwecke nutzt. „Es gibt aber auch Ausnahmen von dieser Zehnjahresfrist. So entfällt die Befreiung von der Erbschaftssteuer nicht rückwirkend, wenn der Erbe aus zwingenden Gründen das Familienheim nicht selbst nutzt“, sagt Rechtsanwalt Hansjörg Looser, BRÜLLMANN Rechtsanwälte. Ein zwingender Grund kann bspw. die Gesundheit des Erben sein, die es nicht zulässt, dass er die Immobilie weiter bewohnt.
So war es in dem zu Grunde liegenden Fall vor dem Bundesfinanzhof. Die Klägerin hatte mit ihrem Ehemann bis zu dessen Tod gemeinsam das Familienheim bewohnt. Aufgrund des Testaments wurde sie zur Alleinerbin. Da sie zunächst weiter in dem Einfamilienhaus wohnte, war sie von der Erbschaftssteuer befreit. Nach zwei Jahren verkaufte sie das Haus jedoch und zog in eine Eigentumswohnung. Gegenüber dem Finanzamt argumentierte sie, dass sie an einer depressiven Erkrankung leide, die sich nach dem Tod ihres Ehemanns in dem einst gemeinsam bewohnten Haus verschlimmert habe. Daher sei ein Tapetenwechsel nötig gewesen und sie sei auf ärztlichen Rat aus dem Familienheim ausgezogen.
Das überzeugte das Finanzamt nicht. Es verlangte dennoch rückwirkend die Erbschaftssteuer und auch das Finanzgericht sah keinen zwingenden Grund für den Auszug, da der Klägerin die Führung des Haushalts nicht unmöglich gewesen sei.
Der BFH kippte das Urteil des Finanzgericht jedoch. Zwar setze die Befreiung von der Erbschaftssteuer beim geerbten Familienheim voraus, dass der Erbe die Immobilie selbst für zehn Jahre nutzt. Dies sei jedoch nicht erforderlich, wenn zwingende Gründe vorliegen, die den Erben an der Nutzung hindern. Zwingende Gründe seien nicht nur bei Unmöglichkeit gegeben, sondern auch wenn die Nutzung des Familienheims nicht zumutbar sei. Dies könne gegeben sein, wenn durch den Verbleib im Familienheim die Gesundheit erheblich beeinträchtigt werde, so der BFH. Dies müsse das Finanzgericht, ggf. mit Hilfe ärztlicher Begutachtung, prüfen, entschied der BFH.
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