Auf Millionen Dieselfahrzeuge mit dem Motor des Typs EA 189 könnte im VW-Abgasskandal ein erneuter Rückruf zukommen. Denn das Verwaltungsgericht Schleswig hat mit Urteil vom 20. Februar 2023 entschieden, dass das Software-Update rechtswidrig ist und den Freigabebescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) aufgehoben (Az.: 3 A 113/18).
Bei Millionen Fahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Dieselmotor EA 189 musste nach dem Bekanntwerden des VW-Dieselskandals ein Software-Update aufgespielt und die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt werden. Nur durch das vom KBA genehmigte Software-Update war sichergestellt, dass die Fahrzeuge nicht ihre Zulassung verlieren.
Genau das könnte nach dem aktuellen Urteil des VG Schleswig aber drohen. „Wie das Gericht feststellte, wurde mit dem Software-Update erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert. Betroffene Fahrzeughalter müssen nun mit einem erneuten Rückruf oder im schlimmsten Fall sogar mit dem Verlust der Zulassung rechnen, wenn das Urteil rechtskräftig wird“, sagt der seit Jahren mit dem Abgasskandal befasste Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser.
Nachdem der VW-Abgasskandal aufgeflogen war, sollte ein Software-Update die Lösung sein. Allerdings enthielt das Update auch ein sog. Thermofenster bei der Abgasreinigung. Dadurch wird die Abgasreinigung bei sinkenden Außentemperaturen reduziert. Folge ist, dass der Ausstoß giftiger Stickoxide steigt. VW argumentiert, dass das Thermofenster aus Gründen des Motorschutzes notwendig ist und das KBA gab grünes Licht für die Software-Updates.
Die Deutsche Umwelthilfe klagte gegen die Freigabebescheide des KBA und hatte im ersten Verfahren Erfolg. Das VG Schleswig orientierte sich an der Rechtsprechung des EuGH, der bereits mit Urteilen vom 14. Juli 2022 (Az.: C-128/20, C-134/20, C-145/20) und 8. November 2022 (Az.: C-873/19 deutlich gemacht hat, dass ein Thermofenster bei der Abgasreinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt.
In dem ersten Verfahren vor dem VG Schleswig ging es um einen VW Golf mit dem Motor EA 189. Nach Angaben der DUH sind noch weitere 118 Verfahren anhängig. Dabei geht es nicht nur um VW, sondern auch um Freigaben des KBA für Fahrzeuge anderer Hersteller, wie u.a. Mercedes, BMW, Porsche oder Audi.
„Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, dürfte es schon jetzt wegweisende Bedeutung haben. Es lässt sich auch auf andere Modelle und Fahrzeughersteller übertragen“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser. Betroffene Fahrzeughalter dürften Anspruch auf eine entsprechende Nachrüstung oder auch Rücknahme des Autos haben.
Für die Schadenersatzansprüche hat auch ein für den 21. März 2023 erwartetes Urteil des EuGH große Bedeutung. Der EuGH muss entscheiden, ob es für Schadenersatzansprüche bereits ausreicht, wenn der Autobauer fahrlässig gehandelt hat. Nach Ansicht des EuGH Generalanwalts Athanasios Rantos ist das der Fall. „Folgt der EuGH dem Generalanwalt – was zu erwarten ist – muss dem Autohersteller im Abgasskandal kein Vorsatz mehr nachgewiesen werden. Das erleichtert die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gerade beim Thermofenster deutlich“, so Rechtanwalt Dr. Gasser, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.
Mehr Informationen: https://www.ingogasser.de/abgasskandal/