Das OLG Naumburg hat den Fiat-Mutterkonzern Stellantis im Abgasskandal um Wohnmobile auf Basis eines Fiat Ducato ein weiteres Mal zu Schadenersatz verurteilt. Mit Urteil vom 26. September 2023 entschied das OLG, dass in einem Wohnmobil des Typs Sunlight T 65 eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt und der Käufer daher Anspruch auf Schadenersatz habe (Az.: 8 U 37/23).
Der Kläger hatte das Wohnmobil Sunlight T 65 im Juli 2020 zum Preis von 48.000 Euro gekauft. Das Modell basiert auf einem Fiat Ducato mit 2,3 Liter Hubraum und der Abgasnorm Euro 5.
Abgasmessungen, u.a. durch das Kraftfahrt-Bundesamt, bei verschiedenen Modellen des Fiat Ducato haben ergeben, dass der Stickoxid-Ausstoß den zulässigen Grenzwert zum Teil deutlich übersteigt. Die zuständige italienische Zulassungsbehörde ordnete trotzdem keinen Rückruf an. Der Kläger machte dennoch Schadenersatzansprüche geltend, weil in dem Motor unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz kämen. Neben einem Thermofenster bei der Abgasreinigung sorge u.a. eine Timerfunktion dafür, dass nach ca. 22 Minuten die Abgasrückführung reduziert wird, was einen Emissionsanstieg zur Folge hat. „Damit ist die Abgasrückführung gerade lange genug für den etwa 20-minütigen Abgastest im Prüfmodus vollständig aktiv“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Das OLG Naumburg folgte der Argumentation, dass mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen in dem Fahrzeug verbaut seien. Eine unzulässige Abschalteinrichtung liege vor, wenn dadurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter normalen Betriebsbedingungen verringert wird, stellte das OLG klar. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts werde bei diesem Modell die Abgasrückführungsrate (AGR) nach einer gewissen Laufzeit des Motors verringert bzw. deaktiviert. Ebenso sorge ein Thermofenster in Abhängigkeit der Umgebungstemperatur für eine Reduzierung der AGR. Zudem werde auch die Timer-Funktion verwendet. Der Kläger habe das Vorhandensein der Abschalteinrichtungen hinreichend dargelegt, so das OLG.
Die Fiat-Mutter Stellantis habe diese Vorwürfe hingegen nicht entkräften können. Es sei nicht entscheidend, ob eine Funktion verbaut ist, die den Prüfstand erkennt. Vielmehr komme es darauf an, ob die Funktion Bedingungen erkennt, die kumulativ nahezu nur auf dem Prüfstand vorkommen und aufgrund dieser Bedingungen die AGR verändert, führte das OLG aus. Dass die AGR im Prüfmodus gegenüber dem Realbetrieb deutlich erhöht ist und der Emissionsausstoß dadurch im Prüfmodus niedriger als im normalen Straßenverkehr ist, sei unstreitig, so das Gericht. Stellantis könne sich auch nicht darauf berufen, dass diese Funktionen aus Motorschutzgründen notwendig seien. Es handele sich um unzulässige Abschalteinrichtungen.
Dennoch könne Stellantis keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachgewiesen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH vom 26. Juni 2023 reicht aber bereits Fahrlässigkeit des Autoherstellers für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal aus. Der Kläger habe daher Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens, den das Gericht auf 10 Prozent des Kaufpreises, 4.800 Euro, bezifferte. Das Wohnmobil kann der Kläger behalten, eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer wird nicht abgezogen.
„Der BGH hat mit Urteilen vom 26. Juni 2023 entschieden hat, dass schon Fahrlässigkeit des Autoherstellers für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal ausreicht. Damit hat der BGH die Hürden für Schadenersatzansprüche erheblich gesenkt. Von dieser Rechtsprechung können auch Käufer eines Wohnmobils auf Basis eines Fiat Ducato profitieren, wie das Urteil des OLG Naumburg zeigt“, so Rechtsanwalt Seifert.
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