Liegen Schenkungen zu Lebzeiten mehr als zehn Jahre zurück, haben sie im Erbfall keinen Einfluss auf die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten. Dies kann sich jedoch anders verhalten, wenn in der Schenkung eine Ausstattung zu sehen ist. Gerade bei Schenkung einer Immobilie ist die Abgrenzung zur Ausstattung oft schwierig.
Unter Ausstattung ist eine Zuwendung der Eltern an ihre Kinder zu sehen, die u.a. dazu dient, den Start ins Eheleben oder einer Lebenspartnerschaft zu erleichtern und auch eine wirtschaftliche Lebensstellung zu erreichen oder abzusichern. „Solche Zuwendungen müssen bei Erbansprüchen berücksichtigt werden“, sagt Rechtsanwalt Hansjörg Looser, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Das OLG Koblenz hat nun mit Urteil vom 24. April 2023 entschieden, dass eine Immobilienschenkung, die länger als zehn vor dem Erbfall erfolgte, nicht als Ausstattung zu sehen ist und daher keine Auswirkungen auf die Pflichtteilsansprüche hat (Az. 12 U 602/22).
In dem zu Grunde liegenden Fall war die Erblasserin 2016 verstorben. Ihren Sohn hatte sie in einem notariellen Testament zum Alleinerben bestimmt. Die bereits verstorbene Tochter der Erblasserin hatte zwei Kinder. Diese gingen aufgrund des Testaments leer aus und machten daher ihre Pflichtteilsansprüche geltend.
Die Enkel forderten, dass bei der Berechnung ihres Pflichtteilsanspruchs auch eine Immobilie, die die Erblasserin ihrem Sohn schon 1993 im Wege der Schenkung übertragen hatte, berücksichtigt wird. Die Immobilie verfügte über mehrere Mietwohnungen und Gewerbeflächen und bescherte dem Sohn regelmäßige Mieteinnahmen. Daher sei die Schenkung als Ausstattung zu sehen, die bei den Pflichtteilsansprüchen zu berücksichtigen sei, auch wenn sie schon länger als zehn Jahre zurückliegt, argumentierten die Enkelkinder.
Das OLG Koblenz wog bei seiner Entscheidung genau ab und entschied schließlich, dass in diesem Einzelfall in der Schenkung keine Ausstattung zu sehen ist. Zur Begründung führte es aus, dass gerade Übertragungen von vermieteten Immobilien als Ausstattungen gewertet werden können und daher Einfluss auf die Pflichtteilsansprüche haben können. In dem konkreten Fall profitiere der Sohn auch von den Mieteinnahmen. Allerdings sei er für seine familiäre und wirtschaftliche Stellung nicht auf die Immobilie angewiesen gewesen. Denn zum Zeitpunkt der Schenkung sei er bereits verheiratet gewesen und hatte ein eigenes Unternehmen gegründet. Gemeinsam mit seiner Frau habe er bereits über ein beachtliches Einkommen verfügt, so dass die Immobilienschenkung nicht als Ausstattung zu sehen sei, auch wenn sie zu einem höheren Lebensstandard beigetragen habe, so das OLG Koblenz.
„Ob eine Schenkung oder eine Ausstattung vorliegt, muss im Einzelfall entschieden werden. Um für mehr Rechtssicherheit zu sorgen, kann es hilfreich sein, schriftlich festzuhalten, welcher Zweck damit verfolgt wird“, so Rechtsanwalt Looser.
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