Konnte der Arbeitnehmer seine ihm zustehenden Urlaubstage aus dringenden Gründen im Kalenderjahr nicht vollständig nehmen, kann der restliche Urlaubsanspruch in vielen Fällen mit ins neue Jahr genommen werden. Dann muss der Urlaub in der Regel bis zum 31. März genommen werden, damit der Anspruch nicht verfällt. „Es gibt aber auch Ausnahmen, die den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers darüber hinaus schützen“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Grundsätzlich gilt zunächst, dass die Urlaubstage in dem Jahr zu nehmen sind, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Unabhängig von der Anzahl der Tage, muss der Urlaub bis zum 31. Dezember genommen werden. Eine Ausnahme gilt, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus dringenden Gründen nicht vollständig bis zum Jahresende nehmen konnte. Dringende Gründe können beispielsweise sein, dass der Arbeitgeber den Urlaub nicht vollständig gewähren konnte oder der Arbeitnehmer erkrankt ist. Dann kann der restliche Urlaubsanspruch ins Folgejahr übertragen werden und muss bis zum 31. März genommen werden.
Wurde der Urlaub ohne dringenden Grund nicht bis zum Jahresende genommen, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Urlaubstage verfallen. Das Bundesarbeitsgericht hat hier die Arbeitnehmer geschützt und auch die Arbeitgeber in die Pflicht genommen. Mit Urteil vom 19. Februar 2019 hat das BAG entschieden, dass die Arbeitgeber hier eine Mitwirkungspflicht trifft (Az.: 9 AZR 423/16).
Das BAG stellte zunächst fest, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer ermöglicht hat, den Urlaub zu nehmen und dieser den Urlaub freiwillig nicht genommen hat. Darüber hinaus habe der Arbeitgeber auch eine Mitwirkungsobliegenheit. Er müsse den Arbeitnehmer konkret auffordern, seinen Urlaub zu nehmen und deutlich machen, dass der Anspruch verfällt, wenn der Urlaub nicht bis zum Ende des Kalenderjahrs oder des Übertragungszeitraums genommen wird.
Auch der Europäische Gerichtshof hat mit Urteilen vom 6. November 2018 entschieden, dass der Urlaubsanspruch nicht automatisch am Jahresende verfällt, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht beantragt hat (Az.: C-619/16 und C-684/16). Der EuGH wies darauf hin, dass der Urlaubsanspruch nur dann untergehen könne, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, seine Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Die Beweislast dafür trage der Arbeitgeber, so der EuGH.
Das Landesarbeitsgericht Köln stellte dazu mit Urteil vom 9. April 2019 weiter klar, dass diese Mitwirkungsobliegenheit den Arbeitgeber nicht nur beim originären Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr trifft, sondern sich auch auf den restlichen Urlaubsanspruch vorangegangener Jahre beziehe (Az.: 4 Sa 242/18). Das LAG betonte, dass die Urlaubsansprüche nur dann verfallen, wenn der Arbeitgeber verständlich und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Anspruch verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht beantragt.
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