Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Erholungsurlaub. Mit einer wegweisenden Entscheidung hat der EuGH am 22. September 2022 deutlich gemacht, dass dieser Anspruch nicht einfach verjährt (Az.: C-120/21; C-518/20; C-727/20). Der Urlaub verfällt demnach nur, wenn der Arbeitgeber zuvor darauf hingewirkt hat, dass der Mitarbeiter seinen Urlaub nimmt und ihm dies auch ermöglicht hat.
„Der EuGH hat die Rechte der Arbeitnehmer erheblich gestärkt. Hat der Arbeitgeber nicht darauf hingewirkt, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nimmt, tritt keine Verjährung ein. Der Urlaub kann dann auch nach mehr als drei Jahren noch geltend gemacht werden“, sagt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte.
Arbeitnehmer haben in der EU einen Anspruch auf Erholungsurlaub. In Deutschland beträgt der gesetzliche Mindestanspruch bei einer 5-Tage-Woche 20 Tage. Wird der Urlaub im laufenden Kalenderjahr nicht genommen, kann er aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen ins Folgejahr übertragen werden und muss bis zum 31. März genommen werden. Der Arbeitgeber muss aktiv auf den Resturlaub und möglichen Verfall hinweisen. Nimmt der Arbeitnehmer den Urlaub trotzdem nicht, verfällt er.
Der EuGH hat nun entschieden, dass auch Urlaubsansprüche, die schon länger als drei Jahre zurückliegen, noch nicht verjährt sind.
In einem Fall konnte die Klägerin nach eigener Aussage ihren Urlaub wegen der hohen Arbeitsbelastung nicht nehmen und forderte eine Abgeltung der Urlaubstage. Der Arbeitgeber verwies darauf, dass der Urlaubsanspruch aufgrund der im Zivilrecht üblichen Frist von drei Jahren bereits verjährt sei. Allerdings hatte er seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt und nicht darauf hingewiesen, dass der Urlaub verfallen kann, wenn die Arbeitnehmerin ihn nicht rechtzeitig nimmt.
Der EuGH positionierte sich auf Seite der Arbeitnehmerin. Komme der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht nach, dürfe er nicht auch noch dadurch „belohnt“ werden, dass die Ansprüche des Arbeitnehmers verjähren.
In den beiden anderen Fällen konnten die Arbeitnehmer ihren Urlaub wegen einer vollen Erwerbsminderung bzw. wegen einer langanhaltenden Krankheit nicht nehmen. Nach Ansicht der Arbeitgeber waren die Urlaubsansprüche längst verfallen. Die Kläger argumentierten, dass die Arbeitgeber ihre Mitwirkungspflicht verletzt hätten, weil sie nicht auf den Resturlaub hingewiesen haben. Auch hier entschied der EuGH arbeitnehmerfreundlich. Da die Arbeitgeber nicht auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen haben, seien sie auch noch nicht verfallen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte die Fälle dem EuGH vorgelegt und muss nun auch abschließend darüber entscheiden.
„Nach der Entscheidung des EuGH ist klar, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Erholungsurlaub Priorität genießt. Arbeitgeber sollten ihre Hinweis- und Mitwirkungspflichten daher keineswegs auf die leichte Schulter nehmen. Zudem müssen auch Ausschluss- oder Verfallsklauseln in den Arbeitsverträgen ggf. unter die Lupe genommen werden“, so Rechtsanwalt Seifert.
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